Es muss nicht immer das hehre Hochamt der Literatur sein, um Wahrhaftigkeit und menschliche Werte glaubwürdig zu vermitteln. Manchmal kann auch ein mit leichter Hand geschriebenes, nicht um elitären Anspruch heischendes Unterhaltungswerk genau die Tiefe haben, die es braucht, um Leser zu berühren.
„Dinner mit Edward“ ist ein solches Buch voller Lebensklugheit und menschlicher Wärme, das ich mit großem Vergnügen gelesen habe, und dessen einfache, für jeden verständliche Botschaften den Sinn schärfen für das, was wirklich wichtig ist im Leben. Die kanadische Autorin Isabel Vincent, die als Reporterin bei der New York Post arbeitet, zeichnet das Bild einer unerwarteten, sich langsam entwickelnden Freundschaft, in der sich zwei in jeweils schmerzlichen Lebenssituationen befindliche Menschen gegenseitig auffangen und aufrichten, in diesem Halt wieder Haltung und Lebenssinn finden.
Die Autorin selbst, die mit dem Umstand hadert und kämpft, dass ihre Ehe gescheitert ist und die sich im Big Apple deswegen hilflos und allein fühlt, und der über 90jährige Witwer Edward, der den Abschied von seiner geliebten Frau Paula verkraften muss und in trauernde Lethargie zu verfallen droht. Zwei verlorene Seelen, die über die sorgenvolle Bitte von Edwards Tochter, ihre Journalistenkollegin möge sich doch mal zwecks gegenseitiger seelischer Unterstützung mit ihrem Vater zum Dinner verabreden, zueinander finden und eine ganz besondere Beziehung entwickeln.
Und so wird aus der ersten Verabredung zum Essen beim ebenso kultivierten wie zugewandten Gentleman Edward ein Ritual, in dessen Verlauf beide lernen, ihre Situation anzunehmen, sich mit ihr auseinanderzusetzen und neuen Lebensmut zu gewinnen. Während einen die Erzählung in so manches Edwardsche Geheimnis der perfekten Essenszubereitung einweiht, z. B. dem, wie einem das perfekte Rührei gelingt, lernt man die jeweilige Lebensgeschichte der beiden kennen und bekommt immer mehr das Gefühl, still mit am Tisch zu sitzen und mit jedem Gang nicht nur raffinierte kulinarische Delikatessen serviert zu bekommen, sondern vor allem das Menü der menschlichen Zutaten, die dem Leben Aroma und Würze verleihen und den hohen seelischen Nährwert von Empathie.
„Dinner mit Edward“ beschreibt auf seine stille, unaufgeregte und aufs Wesentliche konzentrierte Weise, wie wichtig in schwierigen Zeiten der Wert der Freundschaft wiegt, wie menschliche Nähe, Vertrauen und vor allem liebevolle Ermutigung wieder festen Boden unter schwankenden Füßen einziehen und das Fundament bilden für neue, selbstbewusste Schritte ins Hier und Jetzt.
Ein kurzweiliges Buch, das mich in seiner Balance aus lebensfroher Leichtigkeit und besinnlicher Melancholie an Woody Allens grandiose New York Hommage „Manhattan“ erinnert hat und mich mit einer ähnlichen Stimmung zwischen existenzieller Freude, Zuversicht und einem Hauch Wehmut über die Vergänglichkeit noch lange über das eigene Dasein und die zentralen Beziehungen in meinem Leben sinnieren lässt.
Ein Trost und Mut spendendes Plädoyer für das Momentum, das ich allen ans Herz lege, die vielleicht gerade an sich selbst zweifeln, mit ihren aktuellen Lebensumständen unzufrieden sind oder schlicht im schwer zu ertragenden Dauerfeuer medialen Negativismus wieder ein Stück positiven Sinn und Würde suchen.
In diesem Sinne: Genieße und zelebriere Leben, Liebe, Freundschaft, die Gesellschaft von Menschen und den Genuss an sich.