Die für mich persönlich schönste Musik-Nachricht des Jahres stand gestern auf der Webseite des wunderbaren, von mir seit langem über alle Maßen geschätzten Songwriters Joe Henry zu lesen. Der amerikanische Songpoet veröffentlicht am 15. November sein mittlerweile 15. Studioalbum „The Gospel According To Water“.
Eine Ankündigung, die umso erfreulicher ist, da sie nicht unbedingt zu erwarten war. Denn erst im Mai gab Joe Henry im Rahmen eines intimen Konzertes im Largo am Coronet Theatre in Los Angeles bekannt, dass er an Prostatakrebs erkrankt sei. “Singing New Songs and Old/Casting a Cold Eye on Life, on Death,” kündigte er seine Show seinerzeit an. Aber er machte auch gleich sich selbst, seiner anwesenden Familie und dem Publikum Mut.
Henry erinnerte an den vielfach ausgezeichneten Kollegen John Prine, der seit seiner eigenen Krebsdiagnose vor über 20 Jahren immer weiter Songs schreibt, aufnimmt und bis heute live präsentiert. Ein ideales Vorbild für Henry, der sich nach dem ersten Schock wieder dem Leben und vor allem seiner Kunst zuwandte, deren musikalische wie literarische Qualität ich seit über 30 Jahren schätze.
Zum ersten Mal begegnete mir dieser Ausnahmemusiker, als ich zufällig seinen Song „One Day When The Weather Is Warm“ hörte, den ich zugleich mit dem Autor für immer ins Herz schloss. Was danach folgte, ist eine Perlenkette exzellenter Alben, die an die besten Momente eines Bob Dylan oder Leonard Cohen heranreichen, teilweise sogar darüber hinaus ragen, wenn ich stellvertretend nur an solche Edelsteine denke wie „Scar“, „Tiny Voices“, „Blood From Stars“ oder sein letztes Album „Thrum“.
Alles, was dieser Mann als Songwriter oder auch als höchst begehrter und erfolgreicher Produzent anpackt (zuletzt das famose „There is No Other“ von Rhiannon Giddens, Grammys u.a. für Solomon Burkes „Don’t Give Up On Me“, Ramblin Jack Elliott „A Strange Here“ und Carolina Chocolate Drops „Genuine Negro Jig“) berührt mich mit warmherzigem Klang und reflektierter Lyrik. Und wenn ich jemals in die Verlegenheit kommen sollte, eine einzige Platte für die einsame Insel auszuwählen, es wäre mit Sicherheit ein Album von Joe Henry.
Ich bin sicher, auch das neue Werk „The Gospel According To Water“ wird wieder von seinem Feingefühl für ebenso intelligentes wie emotionales Storytelling geprägt sein, vor dem Hintergrund der Entstehung allemal. Geschrieben hat Joe Henry die neuen Songs zwischen Valentinstag und Vatertag 2019, Ende Juni hat er sie innerhalb von nur zwei Tagen aufgenommen, eigentlich nur, damit sie nicht in Vergessenheit geraten, wie der Songwriter erzählt. Die Lieder seien aus der schwarzen Erde der jüngsten Erfahrung entstanden, also der Krebsdiagnose, die ihn zunächst ins Taumeln gebracht habe, wie Henry bekennt.
Aber dieses negative Momentum habe dann auch viele positive Veränderungen in seinem Leben in Gang gebracht und einen für ihn beispiellosen Flow des Songschreibens ausgelöst, dessen Früchte er mit dem 13 Songs umfassenden neuen Album nun ernten kann. Genau zur richtigen Zeit, wie Henry selbst mitteilt.
Come November, then, I will hand this all over —while the sky is bright, and leaves are still turning and descending —the days listing as they grow brisk and shorter. Just in time for Thanksgiving.
Obwohl die Lieder, so Henry demütig, alle aus der Dunkelheit herausgewachsen seien, glaube er nicht, dass irgendeiner dieser Songs von Natur aus „dunkel“ sei, noch die Umstände, die sie ans Licht gebracht hätten. Er selbst höre aus dem Album eine tiefe Dankbarkeit sowie ein bisher seltener gekanntes Mitgefühl für sich selbst und einen gereiften Optimismus.
Die Aufnahmen, bei denen er sich nur von einer Handvoll befreundeter Musiker, u.a. seinem Sohn Levon, habe unterstützen lassen, beschreibt der Amerikaner als roh und schnörkellos, weil die Songs darauf bestanden hätten, in ihrer ursprünglichen, nackten Form zu wirken. Trotzdem seien sie wie alle seine Lieder zutiefst romantisch geprägt: verliebt in das Leben, sogar wenn dieses Leben zu verschwinden droht.
So bleibt mir im Moment nur die Vorfreude auf das neue Album und Joe Gesundheit und Gottes Segen zu wünschen, dass er uns noch lange erhalten bleibt und uns so wundervolle Songs schenkt wie das an dieser Stelle passende „God Only Knows“, mein absoluter Henry-Lieblingssong.
Die Rezension des neuen Albums gibt es zeitnah hier. Vorab schon mal die Tracklist von „The Gospel According To Water“, das bei Ear Music im deutschen Vertrieb von EDEL erscheinen wird:
1. Famine Walk
2. The Gospel According To Water
3. Mule
4. Orson Welles
5. Green Of The Afternoon
6. In Time For Tomorrow (Funeral For Sorrow)
7. The Fact of Love
8. Book Of Common Prayer
9. Bloom
10. Gates of Prayer Cemetery #2
11. Salt and Sugar
12. General Tzu Names The Planets For His Children
13. Choir Boy
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