Zu Beginn eines neuen Jahres geht der Blick des Musikliebhabers meist kurz zurück auf die Perlen des Vorjahres. Viele Polls haben ihre Favoriten für 2018 gewählt, die meisten meiner Lieblinge waren dort leider nicht vertreten. Grund genug, diese hier zu würdigen und Euch ans Ohr zu legen.
Ich beginne mit meinem persönlichen Highlight des vergangenen Jahres, dem famosen „Mandala Brush“ von Spain – ein weiteres Kleinod aus der Klang-Goldschmiede Glitterhouse. Die Band um Josh Haden liefert hier nach mehreren fabelhaften Slow Core Klassikern ihr Meisterwerk ab. Das Album ist eine gelungene Melange aus den bisher bekannten melodischen Stilelementen der Band und überraschenden Ausflügen in u. a. Psychedelic Rock Gefilde wie im Opener „Maya In The Summer“ oder in den Jazz, womit Josh zum ersten Mal auf den Spuren seines berühmten Vaters, des Bassisten Charlie Haden wandelt. „Tangerine“ ist mit seinen akzentuierten Saxophonlinien ein Paradebeispiel für diese Expeditionen ins „Kopfhörer-Reich“.
Seinen Höhepunkt findet dieser Mut zum Experiment im jamartig angelegten „God is love“, in dem Spain in nie zuvor gehörter Weise ihre musikalischen Fesseln sprengen und sich damit neue Freiheiten im Kosmos ihres sanft fließenden Slow Core erschließen. Der fast 15 Minuten mäandernde Track mit seinen arabisch anmutenden Arabesken ist eine echte Hörherausforderung, die durch das nachfolgende, ebenfalls Spiritualität versprühende „Coming Of The Lord“ sogleich eine Besänftigung erfährt.
Dies ist eines der Wesensmerkmale des Albums, dass Haden und seine Musiker nach spannenden Exkursionen immer wieder auf den gepflegten Harmoniepfad zurückfinden, der die Band seit jeher auszeichnet. Das fördert im Spannungsfeld der musikalischen Grenzerweiterung so wohltuende, leichthändig dahin getupfte Songs hervor wie das entspannte „Folkestone, Kent“, in dem ein Folkthema mit gestopfter Trompete veredelt wird.
Mein Anspieltipp ist das wunderbar melancholische „Holly“, bei dem Hadens gesangliche Wehmut von kongenialen Akkordeonseufzern durch Gänsehaut erzeugende Emo-Tiefen eskortiert wird. Stell Dir vor, Du sitzt nach dem x-ten Drink in einer abgelegenen Hafenbar, reflektierst und haderst mit deinem Dasein und „Holly“ umarmt und tröstest dich. Was kann Musik mehr für dich tun?