Der Januar ist schon rum, da erscheint endlich ein erstes Album-Highlight, das man schon mal für die Jahresbestenliste vormerken kann. Das amerikanische Folk-Duo Emily Frantz und Andrew Marlin, besser bekannt als Mandolin Orange, veröffentlicht heute seinen neuen Longplayer „Teardrop Of A Tide“, der in der Kälte des Winters die Herzen erwärmt wie eine dicke Wolldecke oder das Knistern von glühendem Holz im Kamin.
Höchst Grammy-verdächtig in der Kategorie „Traditional Folk“ ist das neue Werk der Band aus North Carolina, das alle guten Zutaten berührender Volksmusik enthält. Zehn ausnahmslos gelungene Tracks (in der Limited Edition mit vier Bonus Tracks in Form von Traditional Songcovers) verwöhnen bezaubernde 42:23 Minuten lang das wohltemperierte Ohr des anspruchsvollen Folkfreundes.
Frantz und Martin packen auf ihrem Weg unter die Haut alle edlen Saiteninstrumente aus, die man für wohltuende Lagerfeuermusik braucht: Akustikgitarren, Mandoline, Banjo, Fiddle, mal im Flirt mit einer bluesigen E-Gitarre, mal im Dialog mit einem akzentuierten Piano, immer gut ausbalanciert im Zusammenspiel.
Gleich der Beginn des Albums beschenkt uns mit einem emotionalen Burner der Sonderklasse, denn die goldene Glut von „Golden Embers“ steht hier sinnbildlich für die Trauerarbeit, die ein Mann und sein Sohn nach dem Tod der Frau/Mutter leisten müssen. Eine Perle sensibler Songwriterkunst, sehr berührend, erst recht im Kontext des kongenial dazu produzierten Videos.
Mit sanft perlender Gitarre lässt die Band danach „The Wolves“ auf die Gehörgänge los, ein unaufgeregtes Rudel, das dort äußerst friedlich umherstreift. Von Heulen keine Spur. „Into The Sun“ klingt wie die Einladung zu einem Winterspaziergang bei strahlend blauem Himmel, wenn jeder Atemhauch sich als feiner Nebel in gleißendem Licht auflöst. Ach, wär doch schon Sonntag! Wie man eine Angebetete richtig anschwärmt, lehrt uns die melodische Sanftmut von „Like You Used To“. In ähnlicher Intensität schmachtet uns „When She’s Feeling Blue“ an, ein love song, der mit seinem bluesigen Unterton punktgenau die leichte Melancholie des Textes trifft.
Und so reihen Mandolin Orange ein Liedkleinod ans nächste und man gerät beim Lauschen zusehends in tiefe Entspannung und seelisches Gleichgewicht. In der Bonus Version zelebrieren Mandolin Orange zusätzlich vier Mal traditionelles Liedgut, stilsicher versteht sich. Aus diesen Zugaben sticht für mich das filigrane „Little Margaret“ heraus, das ein Hauch von Traurigkeit umweht.
Konnten Mandolin Orange mich auch bereits mit ihren früheren Alben von ihren Qualitäten überzeugen, so haben sie sich mit diesem wunderschönen Wurzelwerk gänzlich nach oben auf meine Folkfavoritenliste gespielt Denn auf diesem Gänsehautballaden-Niveau spielen sonst nur noch die umwerfenden und von mir heiß geliebten The Pines.