Leidenschaftliche Musikliebhaber kennen das Szenario. Von Zeit zu Zeit begutachtet man voller Stolz seine stetig wachsende Plattensammlung und stöbert nach Alben, die man gefühlt eine Ewigkeit nicht mehr gehört hat. Dann ist es ein außerordentliches Vergnügen, wen man bei einer solchen Archivbesichtigung zwar nicht vergessene, aber lange vernachlässigte Perlen zu Tage fördert, die einem ganz und gar wieder an Gehör und Herz wachsen.
So auch mir geschehen vor wenigen Tagen, als ich zu meiner großen Freude mal wieder dem guten alten Eric Burdon begegnete und seinen Platten ausreichend gebührende Aufmerksamkeit schenkte. Als besondere Bereicherung empfand ich dabei, mich durch das komplette Hauptwerk des britischen Urgesteins der Rockmusik mit The Animals zu hören. Was der 1941 in Newcastle upon Tyne geborene Sänger und seine Band binnen weniger Jahre veröffentlichten, verdient zweifelsohne das Prädikat „Besonders wertvoll“.
Beim Wiederhören der Alben denke ich, dass niemand den Zeitgeist der 60er so in Gänze in sich aufgesogen, verinnerlicht und auf originäre Weise in Musik zusammengefasst hat wie Eric Burdon. Die ganze Palette an Stilen und Sounds ist präsent auf den Alben „Winds Of Change“ (1967), „The Twain Shall Meet“, „Every One Of Us (beide 1968) und „Love is“ (1969) – vier echte, essenzielle Meisterwerke, die man sich über Kopfhörer gönnen sollte, damit man wirklich jedes kleine der vielen Details heraushört.
Burdon und die Animals ziehen alle Register von Rock über Rhythm and Blues bis hin zum Psychedelic, angereichert mit Spoken Word Soul, Jazz und allerhand Mut zum Experiment. Da werden Songs von Dudelsack-Paraden eskortiert, auf Sitar-Wolken ins Meditation-Nirwana geschickt oder wie auf „Hotel Hell“ mit melancholischen Mariachi-Trompeten in bester Westerntradition veredelt, wie wir sie heute erst wieder von den großartigen Calexico geschenkt bekommen.
https://www.youtube.com/watch?v=I5XNzF6FTMU
Was Eric Burdon neben seinen wohntemperierten Gesangskünsten auszeichnet und mir besonders sympathisch macht, ist, dass er nicht eitel und selbstverliebt nur auf sich schaut, sondern über den Tellerrand blickt. So huldigt er in „It’s all meat“ seinen Einflüssen und musikalisch bedeutenden Zeitgenossen wie Muddy Waters, Eric Clapton, Ray Charles, Jimmy Reed und Ravi Shankar und macht mal eben klar, dass alle Musikstile Fleisch vom selben Knochen Soul sind. Das hat Größe.
Apropos groß. Das sind auch viele seiner Coverversionen, die sich sofort unwiderstehlich im Ohr festsetzen, sobald man sie anspielt: „House Of The Rising Sun“ „Don’t Let Me Be Misunderstood“ „Paint It Black“ „It’s All Over Now, Baby Blue“ – Burdon macht sich alle Vorlagen zueigen und interpretiert sie mit Hingabe und Wertschätzung.
https://www.youtube.com/watch?v=y4G3KPP1Nts
Unsterbliche Songpretiosen wie „Monterey“ und „San Franciscan Nights“ entdecke ich mit Freuden wieder und selbst wenn Burdon beim romantischen Instrumental „Serenade To A Sweet Lady“ das Feld mal gänzlich nur seinen kongenialen Bandmitgliedern überlässt, beeindruckt mich diese Vielfalt an musikalischen Fähigkeiten und Stimmungen der Animals zutiefst.
https://www.youtube.com/watch?v=wq2PFNGaq2U
Kein Zweifel, auch nach über 50 Jahren markiert Eric Burdon mit seinen Animals (und später auch mit War) seine Bedeutung in der Musikgeschichte, die 1994 mit der Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame gebührend gewürdigt wurde. Denn diese Veröffentlichungen stehen definitiv in einer Reihe mit den Beates und Stones und verdienen das Qualitätssiegel ‚Substantielle Musik“.
Also, Toms Empfehlung: Schenkt dem Werk des großen britischen Sängers, der im Mai 78 wird, ein Ohr und erfreut euch wie ich an dieser Zeitreise zu den Wurzeln existenzieller musikalischer Sozialisation.
Übrigens: Eric Burdon ist just in diesem Sommer auf Abschiedstour mit seinen Animals. Hier die Termine:
25.06.2019 Stuttgart, Liederhalle Beethovensaal
26.06.2019 Berlin, Tempodrom
28.06.2019 Zwickau, Stadthalle
29.06.2019 Greven, Emsbeach
30.06.2019 München, Philharmonie im Gasteig