Ich gebe es zu. Mit Lambchops letztem Album „Flotus“ bin ich auch nach mehrmaligem Hören nicht wirklich warm geworden. Mag die Fachpresse es noch so gefeiert haben als mutige Abkehr vom souldurchsetzten Alternative Country der Band um Mastermind Kurt Wagner. Mir war das ein zu radikaler Neubeginn mit diesen vielen Stimmverzerrungen, der überbordenden Elektronik. Zu viel Experiment, zu viel Knochen, dafür zu wenig Fleisch am mir lieb gewordenen musikalischen Lammkotelett.
Die Sorge, dass Kurt Wagner die Seele abhanden gekommen sein könnte, hat sich zum Glück nicht bestätigt, denn das neue Lambchop-Album versöhnt mich gleich wieder mit der Band und verwöhnt meine Ohren darüber hinaus mit einem der bisher besten Alben der Amerikaner. Weil Wagner auf „This (Is What I Wanted to Tell You)“ aus meiner Sicht all das richtig macht, was er beim Vorgänger falsch gemacht hat.
Ja, Kurt Wagner ist eben ein Querkopf, wie auch das Albumcover verrät. Der macht sein Ding, ob es einem gefällt oder nicht. Zum Glück kann ich mich diesmal durchgängig mit seinen Songs und der gewählten Stilistik anfreunden. Denn jetzt sind da wieder richtig gut strukturierte Songs statt gefühlter Laborarbeit, die elektronischen Voicetunings sind nun im wahrsten Sinne des Wortes stimmig und fügen sich harmonisch ins große Ganze und die Balance zwischen klassischem Songwriting und Ausflügen in Dup Step-Gelände oder gar auf Jazzterrain ist überaus gelungen, weil mit viel Finesse Typik und Charakter von Lambchop sinnvoll erweiternd.
Die Modernisierung des Bandsounds geht jetzt einher mit einer deutlichen Wiedererkennung, die Neuentdeckung ermöglicht. „Everything for you“ ist das beste Beispiel dafür. Kurt Wagner ist trotz Stimmverfremdung als der seit langem vertraute Sänger erkennbar, die Grundakkorde des Pianos verbreiten ein Gefühl des Nachhausekommens zur ans Herz gewachsenen Band, das darüber gelegte Klangdesign versieht die bekannte Lampchopwelt jedoch mit einer spannenden, neuartigen Atmosphäre.
Manchmal wandelt Wagner auf den jugendlichen Pfaden eines James Blake, wirkt dabei aber – wie es sich für einen älteren Herrn gehört – um ein paar melodische Längen reifer. An anderen Stellen wie im Titelsong schimmert der späte Miles Davis durch, der sich auf seinen letzten Alben „Tutu“, „Amanda“ und „Doo-Bop“ noch mal eine Verjüngungskur seines Sounds gönnte und damit auch bei einer jüngeren, nicht ganz so jazzaffinen Generation auf offene Ohren traf.
Und mit „Flower“ entlässt uns Lambchop sogar ganz im alten Country-Stil, zartes Mundharmonika-Gebläse inklusive. Kurzum: Nichts, aber auch gar nichts zu meckern diesmal. Vielleicht gebe ich jetzt sogar „Flotus“ noch mal eine Chance, weil ich dieses Lambchop-Experiment dann jetzt möglicherweise durch die Hintertür des völlig überzeugenden neuen Werks hören und als noch unvollendete Grobskizze von „This (Is What I Wanted to Tell You)“ entdecken kann, das auf jeden Fall auf meine Bestenliste des Jahres gehört.
Im April sind Lambchop übrigens auf Europa-Tour, dabei stehen insgesamt sechs Deutschlandtermine auf dem Programm und zwar in Leipzig, München, Darmstadt, Berlin, Köln und Hamburg.