Mark Oliver Everett aka E wird niemals fröhliche Lieder schreiben. Gott sei Dank! Denn jeder, der die Band Eels wie ich seit ihrer Gründung und dem famosen Debüt „Beautiful Freak“ begleitet, schätzt genau das an E’s Songs – diese berührende Traurigkeit. Auf dem neuen Eels-Album „Earth To Dora“ erweist sich Everett einmal mehr als Meister des Melancholiefachs.
Dass das Gesicht eines Clowns das Cover ziert, ist sinnbildlich. Das Tragikomische ist Everetts Metier und keine andere Figur könnte dessen Persönlichkeit besser skizzieren und charakterisieren. Endlich, möchte man E fast zurufen angesichts dieses Cover-Outings! Ein breites Lächeln auf der Vorderseite, ein tiefer Seufzer auf dem Back Cover – Treffer, versenkt!
Liebeslieder voller existenzieller Fragen
12 wunderschöne Songs, alle auf ihre Art Liebeslieder, in denen elementare, existenzielle Fragen gestellt werden. Philosophisch wie „Are We Alright Again?“, romantisch wie „Are You Who You Say You Are?“ und explizit wie „Are You Fucking Your Ex?“ Die Balladen überwiegen auf dieser Botschaft der Erde an Dora, die sich offensichtlich an ein Mädchen richtet. Ist E eventuell zum zweiten Mal Vater geworden?
Auf jeden Fall geht es auf dieser exquisiten Songsammlung um die großen „V“ des Liebeslebens – Vertrauen und Verrat, Verliebtheit und Verletzung, Verlangen und Versagen. Dass solche Themen für Everett der Stoff sind, aus dem man musikalische Melancholieträume schneidert, versteht sich angesichts dessen bekannter Vulnerabilität von selbst.
Würdevoll ausbalancierte Emotionen
Wichtig allein ist, was der Musiker daraus macht. Einen herzergreifenden Reigen von Liedern, die einen anfassen. Bewundernswert, wie Everett stets den richtigen emotionalen Ton trifft und selbst der Schwere des Moments manchmal eine Leichtigkeit mitgibt, die seinen Songs eine große Würde verleiht.
Möge dieser Weißclown des Indierock irgendwann Gnade finden vor einer höheren Instanz, die über seine bittersüßen Scherze laut zu lachen versteht. Möge er erlöst werden von den seelischen Kreuzwegen, die er zu durchwandern scheint, als sei ihm das Schicksal der ewig traurigen Gestalt vorbestimmt. Vor allem aber möge ihm dann trotzdem die Gabe erhalten bleiben, so anrührend schöne Songs zu schreiben.
Im Dialog mit Vorbild John Lennon
Zum Ende noch ein wichtiger Querverweis zu einem ganz Großen, der hier tatsächlich Bedeutung zu gewinnen weiß. Manchmal scheint aus E der Geist des guten (schmerzlich vermissten) John Lennon zu singen, der an diesem durchweg prächtigen Songwriting sicher unbändige Freude gehabt hätte. Wie nah der Ex-Beatle dem Eels-Mastermind anscheinend ist, beweist ein witziges, sehr pointiertes imaginäres Interview auf der Band-Webseite, in dem E sein Vorbild Lennon wiederauferstehen lässt. Ebenso kauzig wie emotionalisierend.
Ja, dieser Mark Oliver Everett kann einen wirklich wie kaum ein anderer zu Tränen rühren.