Der Oktober endete mit einem goldenen Tag. Der November beginnt nun, das schillernd verfärbte Laub von den Bäumen zu schütteln. Zeit also, sich gänzlich auf Herbst einzurichten. Den passenden Soundtrack dazu liefert Matt Berninger mit „Serpentine Prison“.
So gelassen wie der Frontmann von The National auf dem Covergemälde im Edward Hopper-Stil sitzt, klingen auch die 10 Tracks seiner Platte. Was gleich auffällt: der Sänger hat Songs geschrieben, die zwar dank seiner unverwechselbaren Stimme auch seiner Band gut zu Gesicht stünden, entscheidet sich solo aber für luftigere Arrangements.
Leichte, luftige, wohltuende Balladen
Dieses Weniger statt Mehr tut sowohl den einzelnen Liedern als auch der Gesamtstimmung des Albums gut. Bestes Beispiel ist „Distanz Axis“, eine feine Ballade, die trotz instrumentaler Dichte nicht überladen wirkt, sondern im Verlauf wohltuend zu schweben beginnt. So wie das Schmetterlingspaar zu Beginn des Videos.
Ein leiser warmer Grundton wie dieser zieht sich durch das gesamte Solodebüt von Berninger, was es perfekt in die Jahreszeit passen lässt. Über allem steht natürlich des Sängers Fähigkeit, Emotionen zu transportieren und dafür hat er ein paar wirklich maßgeschneiderte Songs geschrieben wie das wunderbar mit Harmonika, Bläsern und E-Piano verzierte „Loved So Little“.
Im Duett mit Bowie-Begleiterin Gail Ann Dorsey
Für das ebenfalls im Jazz-Mood angelegte „Silver Springs“ hat sich der Amerikaner Gail Ann Dorsey als kongeniale Duett-Partnerin gesichert, die bereits auf dem letzten The National Album „I Am Easy To Find“ zu Gast war. Im Anschluss öffnet und weitet das schöne hauchzarte Kleinod „Oh Dearie“ die Herzen, die hier in herbstliche Kuschelstimmung kommen.
„Take me Out Of Town“ legt noch ein Emotionsholz mehr ins Kaminfeuer. Die Streicher in „Dollar Of Your Shirt“ bringen es im Ohr vollends zum Knistern. Berninger gelingt es, eine durchgehend homogene Harmonie zu erzeugen, die gerade in diesen Corona-Zeiten behutsam Balsam in die Wunden reibt. So stellt sich das Gefühl ein, dass die Welt doch ein Stück heiler ist als sie sich im Moment darstellt.
Makellos auch „All For Nothing“, das sogar etwas hymnische Euphorie aufbringt. Hier kommt alles zusammen, Hörner und Streicher, mehrstimmiger Gesang, die sich über ein perlendes Piano erheben. Der Titelsong schließlich entlässt mich mit dem Eindruck, dass Berninger hier an das große „Boxer“-Album seiner Band anknüpft, das mit „Fake Empire“ und „Racing Like A Pro“ zwei meiner National-Lieblingssongs enthält.
Also, wer seine Herbstmelancholie angemessen pflegen möchte, sollte seine Ohren mit dieser flauschigen Musikdecke wärmen.