Dean Owens famose Americana Trilogie

Mit Americana verbindet man meist Songwriting aus den Federn von US-Musikern. Aber auch jenseits des großen Teiches kann echtes Americana-Feeling entstehen. Das beweist der schottische Singer/Songwriter Dean Owens mit einer exzellenten EP-Trilogie, deren letzten Teil er gerade veröffentlicht hat. Ein absolutes Gattungs-Highlight des Jahres. Nicht zuletzt, weil Owens mit der Desert Noir-Kultband Calexico prominenten Support für sein Projekt gewinnen konnte. Gaby Moreno, Gabriel Sullivan und Grant-Lee Phillips sind weitere namhafte Gäste.

The Desert Trilogy macht große Vorfreude aufs neue Album

Owens Desert Trilogy „The Burning Heart“, „Sand and Blood“ und „Ghosts“ ist Vorbote des für Anfang 2022 angekündigten Albums „Sinners Shrine“, auf dem je ein Track der drei EP’s enthalten soll. Dem „Man from Leith“ hört man seine schottische Herkunft nicht an. Alle 12 Songs klingen, als wäre Owens in Arizona oder Texas und nicht in Leith nahe Edinburgh aufgewachsen und als hätte er staubtrockene Wüste statt Highlandhügel verinnerlicht.

Dass der Songwriter buchstäblich mit dem Herzen bei der Sache ist, belegt gleich die erste Single-Auskopplung von „The Burning Heart“. Begleitet von Calexicos Joey Burns, John Convertino und Jacob Valenzuela legt Owens einen umwerfenden Song im Stile der Bandikonen hin, der alles hat, was Desert Noir auszeichnet. Weite, Tiefe, Sonnenflirren und eine hinreißende Melodie, die neben Gitarre, Bass, Drums mit Akkordeon und Trompete feinsten Tex-Mex-Charakter entfaltet.

Ohne das von Ruth Barrie inszenierte Video hätte ich nicht geglaubt, dass Owens den Song singt, weil seine Stimme hier der von Burns zum Verwechseln ähnlich ist. Verblüffend! Der Clip verbreitet das passende Wüstenhighway-Feeling. Famos! Als schönes Westerntune erweist sich der kurze Whistling-Track „Here comes Paul Newman“, ebenfalls mit Trompete garniert. Eine Verbeugung vor dem Hollywoodstar, weil dessen Westernrolle in „Hud – Der Wildeste unter Tausend“ Owens dazu inspiriert hat. Hier findet diese kleine Perle das perfekte Setting.

Mit einer paar Pfeifern auf den Lippen leitet Owens auch ins nachfolgende „Riverline“ über, dessen nachhallender Spaghetti-Surf-Twang den Blick auf die Prärie öffnet. Abschluss der ersten EP bildet das zarte „Tombstone Rose“, das Owens über die Corona-Lockdown-Distanz zusammen mit Joey Burns geschrieben hat. Auslöser war eine Videobotschaft von Joey, der Dean – während Burns Gitarre spielend in seinem Garten in Tucson saß – von seinen Plänen erzählte, eine solche Rose zu züchten.

Der zweite Teil der Trilogie startet gleich wundervoll emotional mit „Land of Hummingbird“, veredelt durch die Stimme der guetemaltesischen Sängerin Gaby Moreno, die auch schon bei Calexico gastierte. Co-Autor des Songs, der wie ein lateinamerikanischer Tanz daherkommt, ist Gabriel Sullivan, bekannt als Frontmann von XIXA und Teilzeitbegleiter von Howe Gelbs Band Giant Sand. Dessen fabelhaftes Soloalbum „Black Crow“ (2019) sei an dieser Stelle zum Weiterhören wärmstens empfohlen.

Sehr spannend die dichte Hymne „Dolina“, deren Entstehung wir der Beschäftigung Owens mit für ihn interessant klingenden Namen verdanken. Jacob Valenzuela lässt seine Trompetentöne über dem Track schweben. Naïm Amor, der mit John Convertino 2016 das wunderschöne Instrumentalalbum „The Western Suite And Siesta Songs“ veröffentlichte, steuert hier die E-Gitarre bei.

„Ashes and Dust“ macht seinem Titel alle Ehre, reitet im schleppenden Tempo zum nächsten Saloon, um den Staub eines langen einsamen Ritts von den Stimmbändern zu spülen. Tolle Ballade im Cinemascope-Format! In den Liner Notes schreibt Owen, dass er beabsichtigte, eine dunkle, mysteriöse Stimmung zu erzeugen. Treffer, versenkt! „She was a Raven“ ist eine rockige Variation des Hummingbird-Songs und schließt damit parabelhaft „Sand and Blood“ ab. Abermals feinstes Hörfutter im Calexico-Style.

Kann Owens dieses hohe Niveau wirklich über 12 Songs halten? Er kann nicht nur, er steigert seine Songklasse sogar noch weiter auf „Ghosts“, dem Abschluss der Desert Trilogy. Einfach umwerfend ist „The Hopeless Ghost“, das Owens mit seinem Freund Grant-Lee Phillips geschrieben hat, dem Mastermind von Grant Lee Buffalo. Der Song ist eine Verneigung von Bewunderer Owens vor dem großen Townes Van Zandt. Die Zeile Home is the road I’m on erinnert vortrefflich an das tragische Leben und unsterbliche Werk der US-Songwriter-Legende.

Apropos Buffalo. Unter den zahlreichen Projekten von Owens gibt es auch eines namens Buffalo Blood, in dessen Zentrum die Auseinandersetzung mit Human Spirit steht. Auch diese Album-Kollaboration ist höchst hörens- und empfehlenswert, weil aus der dort dargebotenen Musik tatsächlich etwas wie ein menschlicher Ursprungsgeist erklingt. Nah an der native philosophy, von der auch das letzte wunderbare Soloalbum von David Huckfelt (The Pines) namens „Room Enough, Time Enough“ geprägt ist.

Und selbst nach diesem Killer-Song legt Dean Owens noch einen drauf mit dem überaus berührenden „Mother Road“, das mit seelenvoller Pedal Steel vortrefflich arrangiert ist. Der Songwriter beschreibt hier die Geschichte des über 90jährigen Friseurs Angel Degadillo, dessen Barber Shop in der Kleinstadt Seligman an der legendären Route 66 lag. Owens würdigt diesen Mann, der in seinem Leben Zeuge aller Veränderungen im Land wurde sowie dessen Beziehung zum Kult-Highway auf anrührende Weise. Storytelling zum Niederknien.

Ein Hauch Schwermut durchzieht das auf Gesang, Akustikgitarre und Whistling reduzierte „Even when I’m gone“, dem Owens selbst eine gewisse Hoffnungslosigkeit zuschreibt. Bei einem seiner zahllosen Waldspaziergänge mit seinem alten Hund Alfie nahe Edinburgh sei ihm dieser Song in den Sinn gekommen. Passender als „The End“ kann man einen finalen Song kaum betiteln. Eine Mörderballade, die Owens im Geiste für Johnny Cash geschrieben hat. Schade, dass der Man in Black diesen Track nicht mehr im Rahmen seiner American Recordings hat aufnehmen können. Hätte seinem Timbre gut gestanden das Lied.

Völlig geflashed von der Desert Trilogy bleibt mir am Ende dieser Rezension nur noch eins zu tun. Meinen Cowboyhut zu ziehen und mich ganz tief vor Dean Owens und seiner herausragenden und zutiefst beeindruckenden Songwriterkunst zu verbeugen. Grammy bitte für diese 12 unfassbar guten Songs! Und möge sich ein erstklassiger Regisseur finden, der entlang dieser kostbaren Americana-Nuggets ein ebenso glänzendes Road Movie inszeniert.

deanowens.com

deanowens.bandcamp.com

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